SPD-Stadtrat Peter Euler wird 75

August 75
Foto Euler

Genosse, Kirchenvorstand, Hausmeister

Es ist so, er geht tatsächlich stramm auf die 50 zu. Häh? Gerade eben wurde Peter Euler für die SPD-Stadtratsliste nominiert. Platz 7. Er hat bereits 41 Jahre im Stadtrat hinter sich und - sollte er 2026 gewählt werden, würde er sich mit weiteren sechs Jahren stramm der 50 in diesem Gremium nähern. Aber, bekennt er, diesmal sei er sich das erste Mal nicht sicher, ob er den Sprung ins Plenum schafft. Seine Wählerschaft - vorwiegend weiblich, wie er mit seinem einstigen Ruf als Womanizer kokettiert, komme aus seiner Altersgruppe und werde naturgemäß kleiner. Am Freitag jedenfalls wird SPD-Stadtrat Peter Euler, mitunter provokanter emotionaler Zwischenrufer, im Bauausschuss geradezu ein Urgestein, langjähriges Mitglied im Festausschuss beziehungsweise Aufsichtsrat der Ausstellungs GmbH 75 Jahre jung. Dem Dreivierteljahrhundert sieht er gelassen entgegen. „Bin halt ein Jahr älter“ - nichts weiter.

Heute noch mal jung sein? Nein, das möchte er nicht, sagte Peter Euler in einem Tagblatt-Interview zum Thema „Die 68er“. Er sei in einer Zeit aufgewachsen, in der es immer vorwärtsging, immer weiter. Heute sei der Blick in die Zukunft schwieriger.
Der ehemalige Volksschullehrer aus Passion wollte in ganz jungen Jahren eigentlich hauptamtlicher Pfadfinder werden. Aber so etwas wie Pfadfinder ist er doch noch geworden, nämlich Fraktions-Vorsitzender der bei der Kommunalwahl 2020 auf nur noch fünf Köpfe dezimierten SPD-Fraktion. Seine Freunde nennen ihn August. Als DJK-Fußballer hat er auf Mannschaftsfahrten im Bus immer zum Mikrofon gegriffen und witzige Geschichten erzählt über Gott und die Welt. Hauptakteur war ein fiktiver Charakter namens August. Seitdem ist Peter Euler „August“.
„Die 75 würde man dir nicht zutrauen“, das höre er oft, sagt er. „Und es tut mir gut.“ Schließlich geht es ihm gut, auch dank täglicher Fitness-Center-Besuche - außer sonntags. Optisch ist er seinem Stil konsequent treu geblieben. Das Markenzeichen, die Mähne, wird zwischendurch um ein paar Zentimeter gezähmt und wächst dann wieder auf gewohnte Schulterlänge. Jeans und T-Shirt sind sein Nadelstreifen, kombiniert mit der bis heute gepflegten Aversion gegen Krawatten. Er hatte sich 2015, als er in Lehrer-Ruhestand ging, vorgenommen, im relaxten Loriot'schen Sinne „endlich einmal einfach nur so sitzen“ zu dürfen, auf seiner Terrasse im Grünen und ohne Gedanken an Korrekturen, Unterrichtsvorbereitung, Schulreformen und wachsende Bürokratie. Dass ein lässiger Typ wie er bei pubertierenden Schülern gut ankam, mit denen Euler zeit seines Berufslebens als Volksschullehrer der letzten drei Jahrgangsstufen zu tun hatte, liegt auf der Hand. Es sei ihm aber immer wichtig gewesen, auch Grenzen aufzuzeigen, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder und inzwischen Großvater von zwei Enkelinnen.
Wenn er im Sommer zu den Sitzungen des Stadtrats in Shorts und Schlappen kommt, dürfte das der untrügliche Beweis sein, dass er sein Vorhaben - „endlich einmal einfach nur so sitzen“ - wahrgemacht hat. Dazu eine mächtige Prise Schnupftabak - da ist jemand offenkundig tiefenentspannt.
Ein „genormter Karrierestadtrat von der Stange“ sei Euler nie gewesen, hat der damalige OB Reinhold Perlak anlässlich der Verleihung der Goldenen Bürgermedaille 2004 über ihn gesagt. Genormt ist Euler überhaupt nicht - vier Jahre bei der Bundeswehr, dann bekennend linker Lehrer, der sich nie verbogen hat, Demonstrant in München, Stuttgart, Bonn. Und in der evangelischen Kirche engagiert, „aus vollem Herzen“. Seit 37 Jahren und weiter gewählt bis 2030, ist er Mitglied im Kirchenvorstand der Christuskirche. „Der Glaube daran, dass man selbst nicht der Allerhöchste ist, sondern dem Allerhöchsten verantwortlich ist“, ist seine Überzeugung. Und „als Christ den Glauben nur im stillen Kämmerchen zu erleben, wäre zu wenig“.
Im Alburger Vereinsleben ist er zwischen FC und Feuerwehr bestens vernetzt und obendrein seit Jahrzehnten Schatzmeister des traditionsreichen Hausmeister-Vereins, ohne dass er je Hausmeister gewesen wäre. Er ist nur zu oft an deren Stammtisch im Bayerischen Löwen gesessen, so seine Begründung.
Wenn er provoziert wird, sieht Euler rot. Seine früheren rhetorischen Duelle mit Rudi Lichtinger von der CSU sind seit dessen Rückzug aus dem Plenum Vergangenheit. Kollegialen Umgang hat er immer geschätzt und dafür wird er geschätzt. Sein heutiger Gegenpol ist mal die Grünen-Fraktion und mal Linken-Stadtrat Johannes Spielbauer, den er erst kürzlich hochemotionalisiert „einen Narrischen“ nannte (und sich danach dafür entschuldigt hat).
Seit 1975 SPD-Mitglied, ehemals umtriebiger Juso-Vorsitzender, schöpft er sein sozialdemokratisches Selbstbewusstsein aus einer 18-jährigen erfolgreichen Ära von SPD-Oberbürgermeistern, aus der vieles sichtbar überdauert hat: Übernahme des ÖPNV, Fraunhoferhalle, Südring, Industrieansiedlungen... Von Altenteil ist bei ihm nicht die Rede. Auch nicht mit 75. Mal sehen, wie sie sich verhalten, die (nicht nur) weiblichen Wähler.

Monika Schneider-Stranninger