Weitere Rücktritte: „Wir müssen Stachel setzen“

In der SPD gärt es wegen des schlechten Listenplatzes für Johanna Uekermann gewaltig

weitere Rücktritte
Wollen mit ihrem Rückzug von allen SPD-Parteiämtern, der kein Kurzschluss ist, einen Stachel setzen und ihre Enttäuschung über Johanna Uekermanns chancenlosen Listenplatz Taten folgen lassen: Stefan Rückert, Irene Ilgmeier und Werner Schäfer (v.l.). „Ein Ruhen der Ämter wäre zu wenig gewesen.“

Die SPD-Landeskonferenz in Nürnberg am Wochenende hat gehörig Wellen geschlagen. Die Parteibasis in Niederbayern – und offenbar auch durchaus andernorts – ist frustriert bis wütend, wie JUSO-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann mit einem wenig aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl 2017 abgespeist wurde. Nach ihrem Vater Heinz Uekermann haben jetzt weitere Genossen ihre parteiinternen Ämter niedergelegt: Irene Ilgmeier, Stefan Rückert und Werner Schäfer. Nicht aus Kurzschluss, wie sie unisono betonen, sondern um „einen Stachel zu setzen, dass die merken, dass wir noch leben“.

Werner Schäfer ist vor 49 Jahren in die SPD eingetreten, gelebter demokratischen Strukturen willen. Eine funktionierende innerparteiliche Demokratie sieht er freilich jetzt nicht. In Nürnberg und schon in der Zeit davor seien die einfachsten demokratischen Spielregeln innerhalb der SPD unberücksichtigt geblieben, stellt er fest. Auf die vorausschauend verfassten Resolutionen der hiesigen SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus und der Bundeswahlkreiskonferenz Straubing-Regen, die JUSO-Bundesvorsitzende mit einem aussichtsreichen Platz für die Bundestagswahl auszustatten, habe man nicht mal eine Antwort erhalten. Deshalb wird er bis auf sein Stadtratsmandat alle Funktionen (stellvertretender Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus und Mitglied im Bezirksvorstand der SPD-60plus) niederlegen. Irene Ilgmeier und Stefan Rückert kommen aus der Gewerkschaftsbewegung, wollten Arbeitnehmerinteressen in der SPD wieder stärker etablieren und sahen sich dabei mit Johanna Uekermann inhaltlich auf einem Nenner. „Sie sieht wie wir nicht als Kern der Auseinandersetzung in der Gesellschaft den Gegensatz zwischen Alt und Jung, sondern zwischen Arm und Reich.“ Als Bindeglied zwischen Alt und Jung wäre Johanna Uekermann ideal gewesen. Sie sei JUSO-Bundesvorsitzende, hätte junge Wähler mobilisieren können und sei obendrein bekannter als mancher amtierende SPD-Abgeordnete, argumentieren die drei unisono. Sie habe sich profiliert mit linken, sprich sozialen Positionen. „Eben jene, für die auch wir bisher eingetreten sind!“, sagt Irene Ilgmeier. „Und wenn Johanna Uekermann aus Oberbayern käme, wäre unsere Position übrigens genau die gleiche“, versichert sie. „Es geht um das, wofür sie steht und nicht woher sie kommt.“
Alle drei räumen ein, sogar daran gedacht zu haben, ihr Parteibuch zurückzugeben, aber das hieße die eigene Überzeugung über Bord zu werfen. „Mein Mann ist allerdings soweit gegangen“, sagt Irene Ilgmeier. Statt dessen haben sie sich entschlossen, für die Partei nicht mehr weiter arbeiten zu wollen. „Wir wollen einen Stachel setzen, dass die merken, dass wir noch leben. Wenn wir einfach weiterarbeiten, wird sich nichts ändern.“ Spüren wird die SPD diese Entscheidungen, denn allein Irene Ilgmeier hatte zehn Funktionen von der Kommunal- bis zur Bezirksebene inne (Bezirksvorstandsmitglied, UB-Vorstandsmitglied, KV-Vorstandsmitglied, stellvertretende AfA UB-Vorsitzende, stellvertretende AfA Bezirksvorsitzende, Mitglied im AfA-Landesvorstand, Mitglied im AfA-Bundesausschuss, 60plus UB-Vorsitzende, stellvertretende 60plus-Bezirksvorsitzende, stellvertretende Vorsitzende des Ortsvereins Straßkirchen). Stefan Rückert ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) im Unterbezirk (UB), AfA-Bezirksvorstandsmitglied, UB-Vorstandsmitglied und Kreisverbands-Vorstandsmitglied. Er will lediglich im Vorstand des Ortsvereins Bogen aktiv bleiben.
Schon bei der „Basta“-Politik, sprich Agenda 2010 der SPD seien tausende Mitglieder abgewandert, erinnert Stefan Rückert. Und jetzt, wo man Seite an Seite mit Johanna Uekermann am engeren Schulterschluss zwischen Gewerkschaft und Partei gearbeitet habe, gebe man ihr wie vor vier Jahren wieder einen chancenlosen Platz. Jetzt wäre die Gunst der Stunde gewesen – mit der Ausstrahlung des bundesweiten Amtes, als junges Talent, das in den vergangenen Jahren viel an Erfahrung, Sicherheit und Wissen gesammelt hat, als bayernweite Kandidatin bei jungen Wählern zu punkten. „Braucht die SPD keine jungen Leute?“, fragt sich Werner Schäfer. Angesichts der aussichtsreichen Bundestagskandidatur der Straubinger Grünen Erhard Grundl hätte man gemeinsam neue Wähler gewinnen können, sehen die drei noch eine weitere ohne Not ausgeschlagene Chance. Offenbar kämen die am weitesten, die den Bezirksfürsten nach dem Mund redeten, kritisiert Stefan Rückert.
Die Drei hoffen jetzt nur, dass Johanna Uekermann sich nicht kleinkriegen lässt.

Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 16.12.2016 | -mon-