Verstärkung von unerwarteter Seite

Zuerst bei der AfD, seit vier Jahren parteiloser Stadtrat: Simon Bucher ist "nach längerer Beobachtungszeit" und großer Skepsis Mitglied der SPD und der SPD-Stadtratsfraktion**

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SPD-Neumitglied Simon Bucher (hinten 2.v.l.) mit den Fraktionsmitgliedern (v.l.) Peter Stranninger, Bernd Vogel, Gertrud Gruber und Fraktionschef Peter Euler sowie Stadtverbandsvorsitzendem Jürgen Karbstein (hinten r.).
Foto: Sigrun Lang

Der Straubinger Stadtrat Simon Bucher hat eine neue politische Heimat gefunden. Der 28-Jährige, der im Kommunalwahlkampf 2020 spektakulär aus der AfD ausgetreten ist und seither keiner Partei angehörte, wurde jetzt nicht minder überraschend SPD-Mitglied und zudem Teil der SPD-Fraktion. Sie wächst damit von fünf auf sechs Stadträte.

Leicht hat sich die Partei die Entscheidung offensichtlich nicht gemacht, und sie war auch nicht unumstritten. Denn Bucher war nicht nur einfaches AfD-Mitglied, sondern er war Oberbürgermeisterkandidat und arbeitete im Büro der inzwischen verstorbenen Straubinger AfD-Bundestagsabgeordneten Corinna Miazga. Allerdings hatte er sowohl Kandidatur als auch Mitarbeit noch während des Kommunalwahlkampfs hingeschmissen und war aus der AfD ausgetreten. Nach der Wahl saß er als Parteiloser im Stadtrat.

Fraktionsstatus der AfD verhindert
Seine damals überregional aufsehenerregende Aktion rechneten ihm viele hoch an. Denn die AfD war damit nur noch mit Miazga im Stadtrat vertreten und konnte keine Fraktion bilden. Damit standen ihr auch keine Ausschusssitze zu und sie blieb zwangsläufig von vielen Diskussionen und Informationen ausgeschlossen. Als Parteiloser und Einzelkämpfer und immer noch mit dem AfD-Etikett behaftet tat sich Bucher sichtlich schwer im Gremium und blieb blass. Seine Wortmeldungen lassen sich bislang an einer Hand abzählen.
Seit Herbst ist Bucher nun SPD-Mitglied, seit 7. Dezember auch Teil der SPD-Fraktion. Der Aufnahme ging ein längeres SPD-internes Prozedere, in das auch die Bezirks- und Unterbezirksgremien eingeschaltet waren, und ein noch "längerer Beobachtungszeitraum" voraus. Denn Bucher hatte offensichtlich gleich nach der Kommunalwahl eine neue Partei gesucht und dazu bei der Straubinger SPD angeklopft.
Doch die war erst mal skeptisch und ließ sich Zeit mit der Entscheidung, wie Vorsitzender Jürgen Karbstein erklärt: Vorstand und Fraktion haben ihn "lange beäugt", erst im Herbst stand dann fest: "Er hat sich bewährt, wir können ihm abnehmen, dass er sich von der AfD und ihrem Gedankengut getrennt hat."

Gegenstimmen im Ortsverband
Der Mitgliedsantrag wurde vom Straubinger Ortsverband dennoch nicht einstimmig befürwortet. Von sieben Mitgliedern stimmten zwei dagegen: der damalige Vorsitzende Simon Bründl sowie Peter Euler, der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. "Er war ja nicht irgendjemand in der AfD", begründet Euler seine zunächst vorhandene Skepsis gegenüber Buchers Beitritt mit Blick auf seine OB-Kandidatur und seine Mitarbeit im Miazga-Büro.
Euler hat sich dann aber der Mehrheitsentscheidung gebeugt und deshalb im Anschluss den Fraktionsbeitritt befürwortet, der übrigens einstimmig ausfiel. Bucher sei inzwischen mehrmals zu Gast in der SPD-Fraktion gewesen, sagt Euler. Dort und in den Stadtratssitzungen habe er ihn über die Jahre beobachten können und einen positiven Eindruck gewonnen: "Er hat immer vernünftig abgestimmt und ist nicht mehr als AfDler aufgefallen." Stadtrat Bernd Vogel gehörte ebenfalls zu den Skeptikern – und gehört vielleicht immer noch dazu. Nach der langen Wartezeit für Bucher sagt er nun: "Er hat sich glaubwürdig abgewandt, er muss sich aber jetzt bewähren."

Schäfer: "Habe nix gefunden"
SPD-Bürgermeister Werner Schäfer dagegen geht davon aus, dass Bucher nie ein in der Wolle gefärbter AfDler gewesen ist. Er habe im Wahlkampf 2020 "eine Datei" angelegt, in der er entsprechende Äußerungen des damaligen OB-Kandidaten notieren und sammeln wollte. Das Dossier blieb laut Schäfer leer: "Ich habe bei seinen öffentlichen Aussagen nix gefunden, wo ich ihn hätte packen können."

Schäfer rechnet Bucher hoch an, dass er mit seinem Austritt den Fraktionsstatus der AfD verhindert hat. Nach beinahe vier Jahren, in denen er das Verhalten des Politneulings beobachtet hat, steht für ihn fest: Bucher habe sich deutlich zu Zielen bekannt, die Sozialdemokraten und eher Linke haben. "Es gibt keinen Grund, ihm diesen Weg zu verweigern", betont Schäfer deshalb.

Im Landtagswahlkampf SPD-Plakate geklebt
Protegiert wird Bucher nicht nur vom stellvertretenden Bezirksvorsitzenden Marvin Kliem, sondern unter anderem auch vom Unterbezirksvorsitzenden und Stadtrat Peter Stranninger. Er habe in Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass Bucher dieselben Themen wichtig seien wie ihm, insbesondere sozialer Wohnungsbau und Stadtentwicklung. Bucher habe sich im vergangenen Landtagswahlkampf für die SPD engagiert, Plakate geklebt und an Infoständen mitgeholfen. Und er habe schon bisher mit der SPD-Fraktion gestimmt. Dennoch sei es wichtig gewesen, "genau hinzuschauen", sagt Stranninger.

Zunächst zwei Ausschüsse und ein Aufsichtsratssitz
Und der Neu-SPDler selbst? Der freut sich, dass sein Einzelkämpfer-Dasein im Stadtrat endet. Seinen Gefühlsstatus als neues Mitglied der Fraktion bezeichnet Bucher mit "neugierig und aufgeregt". Bei seiner Neuorientierung sei für ihn nur die SPD als Partei infrage gekommen, erklärt er gegenüber der Redaktion. Er könne sich sowohl menschlich als auch politisch mit ihren Zielen identifizieren, schätze ihre Diskussionsfreude und ihren Einsatz für eine soziale Politik.
Als Teil der Stadtratsfraktion wird Bucher zunächst in zwei Ausschüssen mitarbeiten, das kann die SPD intern regeln: im Jugendhilfeausschuss (bisher Bernd Vogel) und im Sozialausschuss (bisher Gertrud Gruber), in beiden ist die SPD jeweils nur mit einem Sitz vertreten. Zudem bekommt Bucher den einzigen SPD-Sitz im Aufsichtsrat der Biocampus GmbH (bisher Peter Stranninger), auch das ist eine interne Lösung.

SPD mit sechs Sitzen zweitstärkste Fraktion
Das Revirement in der SPD-Fraktion hat aber insgesamt Konsequenzen für die Besetzung von Ausschüssen, in denen sich die Mehrheitsverhältnisse analog zu den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat ändern werden. Was das konkret heißt, steht offiziell noch nicht fest: Bisher liegt in der Verwaltung nur eine informelle Anfrage der SPD-Fraktion vor, dass sie ein weiteres Stadtratsmitglied aufnehmen will. Gleiches gilt übrigens für die CSU. Sie soll mit dem Beitritt von Ernst Binner (erst FDP, dann parteilos) ebenfalls Verstärkung auf dann 19 Sitze erhalten. Kommende Woche werden dem Vernehmen nach die Anträge beider Parteien gestellt.
Bei der Kommunalwahl 2020 war die SPD-Fraktion von acht Mitgliedern auf fünf geschrumpft. Mit Buchers Eintritt wächst sie nun auf sechs Stadträte an und ist dann nach der CSU (bisher 18 Mitglieder) die zweitstärkste Fraktion - wenn auch mit großem Abstand. Sie hat damit einen Sitz mehr als die Grünen und die Freien Wähler (jeweils fünf). Die ÖDP hat drei Sitze inne, die Linke und die AfD je einen. Ernst Binner und Simon Bucher werden derzeit offiziell noch als parteilos geführt.

Mit Erlaubnis des Straubinger Tagblatts | Straubinger Rundschau | 20.01.2024 | -Anna Rieser-