„100 Jahre sind eine lange Zeit für einen Menschen, aber in der gesamten Geschichte ist es dennoch nur ein Wimpernschlag.“ Mit diesen Worten begann der amtierende Fraktionsvorsitzende und OB-Kandidat der Straubinger Sozialdemokraten Peter Stranninger seine Rede am Grab von Dieter Rähr, dem letzten verstorbenen Fraktionsvorsitzenden der SPD.
Mit einer Kranzniederlegung wurde Rähr für seine Verdienste um Straubing in Anwesenheit seiner Frau Inge sowie der Tochter Martina Rähr, die extra aus Italien angereist war, geehrt.Stranninger ließ am Waldfriedhof die 100 Jahre Straubinger Sozialdemokratie noch einmal Revue passieren.
1904 in Straubing gegründet, dauerte es 14 Jahre, also bis 1919, bis die Sozialdemokraten den Einzug ins Stadtparlament schafften. Das Bürgerrecht besaßen nur 4,4 % der Straubinger – und nur Bürger konnten im damaligen Obrigkeitsstaat gewählt werden. Die erforderliche Leistung von Gebühren in Höhe von 60 bis 125 Mark waren damals für einen Arbeiter einfach unerschwinglich.
1919 gab es die ersten freien Wahlen
1919 gab es schließlich die ersten freien Wahlen und 6 Mitglieder der Mehrheitssozialdemokraten und zwei der USPD schafften den Einzug ins Rathaus. Während der Nazi-Herrschaft in Deutschland war die SPD von 1933 bis 1945 verboten, arbeiteten aber, soweit sie nicht inhaftiert oder verschleppt waren, im Untergrund weiter. Einen Dank dafür bekam man bei den ersten Nachkriegswahlen nicht. Nur rund ein Drittel der Wähler in Straubing entschied sich für die Widerständler.
1960 schließlich bekam Straubing den ersten SPD-Oberbürgermeister mit Hermann Stiefvater. 1966 stellten die SPDler die Hälfte der Stadträte, nämlich 16 von 32. Nach 1972 dauerte es bis 1990 als Fritz Geisperger wieder einen SPD-OB präsentieren konnte. Das Amt führte Reinhold Perlak von 1996 bis 2008 erfolgreich weiter. Stranninger betonte, dass die SPD-Fraktion immer mit Sacharbeit geglänzt habe und dabei ein stabiler, berechenbarer, aber auch eigensinniger Teil des Stadtrats gewesen sei.
Inge Rähr, die Witwe von Dieter Rähr, zeigte sich gerührt vom Besuch der Sozialdemokraten am Grab ihres Mannes. Sie verfolge natürlich weiterhin das politische Geschehen in und um Straubing. Einen globaleren Einblick gab zum Abschluss Rährs Tochter Martina, die seit vielen Jahren in Mestre nahe Venedig mit ihrem Mann Stefano lebt. Man müsse alte Denkmuster überwinden, Kräfte bündeln und Themen fokussieren. Es stimme überhaupt nicht, dass sie die Menschen nicht mehr an Politik interessiert seien. Differenziert an die Probleme der Zeit herangehen und die Demokratie verteidigen. Das seien die ureigensten Aufgaben der Sozialdemokratie.
Bürgermeister Hans Lohmeier sprach das Schlusswort: „Auch wenn hier ein Rechtsruck zu spüren ist. Deutschland ist der Hort der Demokratie in Europa. Alle anderen wackeln. Packen wir's an!“
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