Die SPD hat am Freitag zu einer Diskussionsrunde zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA mit dem SPD-Europa-Abgeordneten Ismael Ertug in den Gäubodenhof eingeladen. Ertug, der inzwischen nicht mehr an eine erfolgreiche Realisierung des Abkommens glaubt, schilderte den Gästen den aktuellen Wissenstand um den Inhalt von TTIP und erklärte, welche Auswirkungen es auf die Bürger der Region haben könnte.
„Handel ist gut. Für uns stellt sich jedoch die Frage, wie, mit welchen Inhalten und welchen Auswirkungen“, erklärte Ertug. Bereits beim Thema Verbraucherschutz stoße man auf Probleme. Die USA seien generell nicht bereit, die europäischen Standards zu akzeptieren. „Wir sollen unsere Märkte öffnen und Dinge schlucken. So ist kein Deal mehr möglich“, konstatierte Ertug. Auch im Bereich Gesundheit gebe es Schwierigkeiten. Während beispielsweise in Deutschland bei Medikamenten und Nahrungsmitteln das Vorsorgeprinzip gelte, setze man in den USA auf das Risikoprinzip. „Die Anschauungen und Standpunkte sind insgesamt in vielen Bereichen zu unterschiedlich“, bemängelte Ertug.
Ein großes Problem des TTIP-Abkommens seien nicht nur die sehr gegensätzlichen Interessen der Befürworter und Gegner, sondern vor allem auch die Intransparenz des Freihandelsabkommens. „Wie kann ich etwas befürworten, dessen Inhalt ich kaum kenne?“, kritisierte er. Durch die von Greenpeace veröffentlichten Leaks sei außerdem deutlich geworden, dass die USA von ihren Forderungen zur Regulation im Beschaffungswesen, der Auftragsvermittlung und den Arbeitnehmerrechten nicht abrücken wolle. „In Verhandlungsrunden kann man so nicht zusammenkommen“, sagte Ertug. Das sehe man am Beispiel des Schiedsgerichtes sehr deutlich. Diesen Punkt habe man nach fünf Verhandlungsrunden aufgrund von Uneinigkeit beiseitelegen müssen. Der Referent sprach sich gegen Schiedsgerichte aus: „Warum brauche ich hier eine Paralleljustiz? Ich möchte diesen Mechanismus als Konkurrenzjustiz nicht haben.“ Er kritisierte zudem, dass im Lissaboner Vertrag der Zusatz der Mitbestimmung des Volkes fehle, da die EU-Kommission allein dazu befugt sei, alle Entscheidungen, die die EU betreffen, zu fällen. Trotzdem sei es sehr wichtig, dass die Bürger ihren Protest deutlich machen.
„Die Vergangenheit hat gezeigt, dass jede Unterschrift wertvoll ist. Wir Volksvertreter brauchen dieses Argument“, betonte Ertug. Die letzte europäische Bürgerinitiative mit einer Million Unterschriften habe gezeigt, dass Protest erfolgreich sein kann.
Schwächung regionaler Wirtschaft befürchtet
In der Diskussion lobte SPD-Stadtverbandsvorsitzender Dr. Olaf Sommerfeld die eindeutige Stellungnahme Ertugs zum Freihandelsabkommen. Er ergänzte: „Die Zölle für die Einfuhr von deutschen Fahrzeugen sind in den USA zu hoch. Wie kann man dies im Rahmen des Abkommens vereinfachen? Reicht für solche Probleme nicht auch ein sektorales Abkommen?“ Auch die anderen Zuhörer beschäftigten sich mit den direkten Auswirkungen von TTIP auf Europa. Es wurde vor allem befürchtet, dass TTIP die eigene Wirtschaft schwächen werde und es doch nicht zu dem prognostizierten Anstieg von Arbeitsplätzen komme. „Generell führt Bürokratieabbau, der im Abkommen vorgesehen ist, zu mehr Produktion“, erklärte der Referent. Allerdings sei es schwer zu sagen, an welchem Standort und zu welchen Bedingungen so mehr Arbeitsplätze entstehen.
„Ich sehe in der amerikanischen Massenproduktion eine starke Konkurrenz zu unseren regionalen Produkten“, kritisierte Bürgermeister Hans Lohmeier. Für die regionale Produktion sei es daher von großer Bedeutung, dass die eigenen Standards nicht durch amerikanische verdrängt würden. Auch wurde mehr Transparenz gefordert: „Für viele sind TTIP-Themen zu intransparent und komplex. So ist es schwierig, eine Entscheidung zu treffen“, so der Europaabgeordnete. Er betonte zudem: „Wir müssen den Druck sachlich aufrecht erhalten.“ In Überprüfung befinde sich gerade das Freihandelsabkommen CETA. Aber auch hier betonte Ertug abschließend: „Man sollte sich CETA nicht einfach aufschwatzen lassen. CETA muss inhaltlich stimmen, erst dann ist eine Befürwortung möglich.“
Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 17.05.2016 -pri-