Todesurteil oder Hoffnung: Die Meinungen darüber, was eine Große Koalition für die SPD bedeutet, hätten nicht unterschiedlicher sein können. Fast drei Stunden diskutierten 21 Genossen bei der Mitgliederversammlung des Ortsvereins am Mittwochabend im Gasthaus „Zum Geiss“ – und positionierten sich zu Straubing-Themen.
Vier rote Parteibücher lagen vor Simon Baumgartner, dem neuen Ortsvereinsvorsitzenden, auf dem Tisch. Einer der neuen Genossen war zur Mitgliederversammlung gekommen und nahm sein Parteibuch entgegen. Ein weiteres Neumitglied, Daniela Guilleaume, wurde prompt zur Delegierten der SPD-Unterbezirk- Europakonferenz für die Europawahl 2019 gewählt (weitere Ergebnisse siehe unten). Bei der anschließenden Diskussion erklärte sie, dem Aufruf Kevin Kühnerts, Bundesvorsitzender der Jusos, gefolgt zu sein: „Tritt ein, sag’ Nein“. Ihrer Meinung nach verliere sich der Vertrag in Kleinigkeiten. Da stimmte ihr ein junger Mann, Student am TUM-Campus Straubing, zu: „Mir fehlen der große Wurf und die Visionen. So bekommen wir keine Erneuerung der Partei hin.“ Erneuern könne sich die SPD nur in der Opposition, argumentierte Stadtrat Peter Stranninger. „Ich stimme dagegen, weil das das Todesurteil für die Partei ist“, pflichtete ihm Dr. Olaf Sommerfeld bei. Die SPD habe in den vergangenen vier Jahren „jeden Mist mitgemacht“. Dennoch ist Dr. Sommerfeld überzeugt: Die GroKo kommt.
„Der Scholz
ist von vorgestern“
„Wir kriegen auf Dauer amerikanische
Verhältnisse“, mahnte Bürgermeister
Hans Lohmeier, „die
Mittelschicht bröckelt“. Dazu komme,
dass populistische und rechtsradikale
Kreise die Flüchtlingskrise
für sich genutzt hätten: „Sie haben
verstanden, die Angst der Menschen
auf die Flüchtlinge zu übertragen.
Dabei geht es nicht um Flüchtlinge.
Wir haben in Deutschland Raubtierkapitalismus
– und tun nichts
dagegen. Das ist das Dilemma der
SPD.“ Scharf kritisierte Lohmeier
die SPD-Führung: „Der Scholz ist
von vorgestern.“ Doch Lohmeier
machte auch Mut: Die SPD sei immer
noch da – die SPD sei nämlich
kein Wahlergebnis, „sondern wir,
die Mitglieder, sind die SPD“.
Stadtrat Werner Schäfer, seit 50
Jahren Parteimitglied, sagte: „Wir
haben im Wahlkampf versagt.“ Er
benannte seiner Meinung nach den
Grundfehler der Partei: Nicht zu
zeigen, was man eigentlich leistet.
Doch er sei für eine GroKo. Da ist er
mit Baumgartner einer Meinung.
Der neue Ortsvorsitzende hätte sich
zwar beim Thema Digitalisierung
mehr erwartet und sagt: „Meilensteine
stehen nicht im Vertrag.“
Doch er hofft, dass sich die SPD in
der Regierung erneuern kann. Was
ihn zum Ja beim Mitgliedervotum
bewog: Die Revisionsklausel. Nach
zwei Jahren GroKo sollte die SPD
eine Bestandsaufnahme machen
und prüfen, welche Projekte umgesetzt
wurden.
Leistung des Willy-Brandt-
Hauses: „eine Frechheit“
Die Diskussionen über eine Gro-
Ko dürften zu keinem Streit zwischen
jungen und alten Genossen
führen, sagte Stadtrat Peter Euler.
Er sei wütend auf Martin Schulz,
der am Wahlabend vorpreschte und
verkündete, nicht in die Regierung
zu wollen, die Leistung des Willy-
Brandt-Hauses nannte Euler eine
Frechheit. Dennoch stimmt er für
die GroKo: „Denn wie soll man Themen
einbringen, wenn man nicht in
der Regierung ist?“ Die SPD sei
zwar das Zünglein an Waage, er gab
aber zu bedenken, dass die meisten
Bürger jetzt einfach eine Regierung
möchten.
Ernst Moser ermutigte die Genossen,
sich in der lokalen Politik zu
profilieren. Eines der ersten Themen:
Die für 2019 angedachte Verbundraum-
Ausweitung des Regensburger
Verkehrsverbundes auf die
Stadt. Hintergrund: Derzeit sieht es
so aus, als würde der Landkreis die
Kosten für seine Bürger nicht übernehmen.
„Sollen wir das dann dem
schmarotzenden Landkreis zahlen?“
fragte Lohmeier provokant,
„mir stinkt das“.
Weiteres Thema: Das Pflaster auf
dem Theresienplatz. Man müsse einen
Kompromiss aus Erhalt der alten
Steine und besserer Befahrbarkeit
zum Beispiel für Rollatoren
schaffen, sagte Schäfer. Dafür seien
Bahnen mit einem glatten Pflaster
ideal. Doch: „Die Befahrbarkeit
darf nicht zur Ideologie werden“,
findet Schäfer. Und Lohmeier fügte
hinzu: „Das wären doch schon Themen
für eine öffentliche Versammlung
...“
Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 19.2.2018 | -phi-
■ Die Delegierten
Die Delegierten zur Unterbezirk-
Europakonferenz für die Europawahl
2019:
Dr. Olaf Sommerfeld;
Daniela Guilleaume; Katrin Stibbe;
Nail Demir; Simon Baumgartner;
Tobias Ehrmeier.
Ersatzdelegierte:
Simon Bründl; Willi Maas; Werner
Schäfer; Andreas Ginglseder.