„Endlich kann ich sagen: ‚Genossinnen und Genossen’“, sagte der neue SPD-Stadtrat Simon Bucher am Samstag bei einer Pressekonferenz, bei der ihm Ortsvereinsvorsitzender Jürgen Karbstein offiziell das sozialdemokratische Parteibuch überreichte. Vertreter von Bezirks und Unterbezirksvorstand, des Ortsvereins und der Fraktion nahmen noch einmal ausführlich Stellung zum Parteieintritt des 28-Jährigen (wir berichteten).
Man habe es sich nicht leicht gemacht, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Unterbezirks, Marvin Kliem. Man habe den Prozess auf allen Ebenen der Partei bis hin zum Landesvorstand transparent gemacht: Die Aufnahme von Simon Bucher, der nicht nur einfaches AfD-Mitglied, sondern 2020 sogar OB-Kandidat war, bevor er noch im Wahlkampf aus seiner alten Partei austrat und seither als Parteiloser dem Stadtrat angehörte. „Die Entscheidung zur Aufnahme wurde in allen Gremien mit demokratischer Mehrheit getroffen“, betonte Kliem.
Bewährungszeit und kein Shitstorm
Man habe durchaus einen Shitstorm befürchtet, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Euler, deshalb habe man Simon Bucher auch eine dreieinhalbjährige „Bewährungszeit“ auferlegt. Dieser habe in dieser Zeit seinen Gesinnungswandel glaubhaft gemacht, und der Sturm der Entrüstung sei ausgeblieben.
Die einzig sichtbare Gegenreaktion sei der Parteiaustritt von Bezirks-Geschäftsführer Stefan Koppatz gewesen. Bürgermeister Werner Schäfer kritisierte in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Grünen-Stadtrat Wolfgang Steinbach, der in der letzten Sitzung der SPD vorgeworfen hatte, sie kenne keine Schmerzgrenze. „Als Pädagoge müsste er wissen, dass man jungen Menschen das Recht zubilligen muss, sich zu ändern“, erklärte Schäfer.
„Die SPD ist für mich die richtige Partei“, betonte Simon Bucher, „die AfD Vergangenheit.“ Er wolle für Frieden, Vielfalt und Gerechtigkeit eintreten und nannte als wichtigstes Thema, in Straubing bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Ich möchte die Stadt positiv prägen.“
Von seinen früheren AfD-Parteikollegen habe er keine Reaktionen mitbekommen, erklärte Bucher, „allerdings habe ich ja den Kontakt komplett abgebrochen. Wie es hinter den Kulissen ausschaut, kann ich nicht sagen“. Zur Frage, wie sich der Parteieintritt auf die Sitz-Arithmetik im Stadtrat, den Ausschüssen und Aufsichtsräten auswirke, sagte Euler: „Die Grünen ärgern sich, aber es steht halt so in der Gemeindeordnung.“ Der Wählerwille werde dadurch nicht missachtet.
Zweitstärkste Kraft zum Wohle der Stadt
Wie berichtet, wächst die SPD Fraktion nun von bisher fünf auf sechs Mitglieder an und löst somit die Grünen als zweitstärkste Kraft im Stadtrat ab. Der Stimmenvorsprung habe aber ohnehin nur 0,28 Prozent betragen, betonte Euler. Er sehe seine Fraktion nicht als größte „Oppositionspartei“, sondern als „zweitstärkste Kraft, die zum Wohle der Stadt arbeiten soll“.
Über die Umbesetzung der Ausschüsse, die auch durch den Übertritt von Ernst Binner (früher FDP, dann parteilos) zur CSU notwendig werden, wird nun das Los entscheiden.
„Wer das kritisiert, stellt die Gemeindeordnung und somit die Rechtsordnung des Freistaates Bayern infrage“, sagte Bürgermeister Werner Schäfer. Ortsvereinsvorsitzender Jürgen Karbstein freute sich vor allem über den Zuwachs eines Vertreters der jüngeren Generation. Und alle SPD-Vertreter sahen in dem Wechsel Buchers vom rechten Rand in die sozialdemokratische Partei ein hoffnungsvolles Zeichen nach dem Motto: „Es geht auch in diese Richtung.“
Mit Erlaubnis des Straubinger Tagblatts | Straubinger Rundschau | 05.02.2024 | -ber-