Seit zwei Wochen liegt der Bericht des Verfassungsschutzes über Extremismus in Bayern vor, am 6. Mai jährt sich zudem der Beginn des NSU-Prozesses zum dritten Mal. Dies nahm der SPD-Stadtverband zum Anlass, den Landtagsabgeordneten Franz Schindler einzuladen. Am Donnerstag hielt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion und Vorsitzende des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses einen Vortrag zu der Frage „Wie hoch ist die Gefahr von rechts?“
Mit dem Verfassungsschutzbericht in der Hand erinnerte sich Franz Schindler im Gäubodenhof an seinen Besuch im Jahr 2011: „Da waren noch Polizei und Verfassungsschutz dabei, das war während der Hochphase der Ermittlungen gegen den NSU.“ Am Donnerstagabend erörterte er mit den Genossen des Stadtverbandes, wie viele Rechtsextremisten es in Bayern gibt, beleuchtete die Arbeit der Schutzbehörden und schlug vor, der AfD argumentativ zu begegnen statt sie niederzupfeifen.
„Angesichts des vorläufigen Programmentwurfs der AfD werden wir sie nicht als rechtsextrem bezeichnen können. Sie ist wohl eher nur national-konservativ“, vermutete der Abgeordnete. Man solle die AfD daher nicht niederpfeifen oder niederbrüllen: „Argumentieren ist gescheiter als Popanz treiben zu wollen“, plädierte Schindler für einen besonnenen Umgang.
Es gebe allerdings echte Rechtsextreme in Bayern: 2 200 Personen zählt der Verfassungsschutzbericht, von laut Kriminalstatistik 72 500 Körperverletzungen 2015 sind 78 als rechts-motiviert verbürgt. Zwar seien 2015 allein beim Volksfest in nur elf Tagen 21 Körperverletzungen begangen worden, aber: „Das sind nicht irgendwelche Saufkumpels, die sich schlagen, sondern es handelt sich hier um politisch motivierte Gewalttäter, die ihre Opfer gezielt aussuchen“, mahnte er.
In rechtsextremen Parteien organisiert sind rund 820 Personen in Bayern, denen 220 000 Mitglieder anderer Parteien gegenüber stehen. Aber die Gefahr ist laut Schindler und Genossen weniger faktisch als vielmehr ideell: „Als SPD müssen wir ganz besonders hellhörig und wachsam sein“, sagte der Abgeordnete. Gerade die NPD gehöre verboten, weil sie als „Anker für viele außenrum“ diene. Angesichts von Massenbewegungen wie Pegida sei „die Behauptung nicht ganz falsch, dass der braune Riese 50, 60 Jahre geschlafen hat und jetzt langsam wieder erwacht“, befürchtete der Abgeordnete. Betonte er, man solle sich davor hüten, sich beim Kampf gegen Rechts zu verrennen.
Kritisch sah der rechts- und verfassungspolitische Sprecher seiner Fraktion auch die Rolle der Behörden: „Ich staune immer wieder, wie schwer sich Polizei und Verfassungsschutz tun, fremdenfeindliche Motive zu benennen, wo aufmerksame Beobachter sie sofort erkennen.“ Es sei aber nicht nur Unwillen, sondern zum Teil auch Unfähigkeit: „Ich weiß von Treffen, wo rund 30 Nazis zusammensaßen – zehn davon V-Leute, die nichts voneinander wussten, weil sie von drei verschiedenen Behörden kamen.“
Daher sei die lückenlose Aufklärung im NSU-Prozess so wichtig: „Es dürfen sich keine Verschwörungstheorien verfestigen, dass der Staat den rechtsextremen Hintergrund der Taten bewusst vertuscht hätte“, betonte Schindler, denn: „Da wurden unverzeihliche Fehler gemacht, aber gesteuert war das nicht.“ Auf V-Leute dürfe sich der Verfassungsschutz in Zukunft nicht mehr verlassen, da dies eben keine verdeckten Ermittler der Behörden seien, sondern „Verräter“, die den Beamten Tipps geben, und „keine Ehrenmänner“.
In der anschließenden Diskussion kamen die Genossen um Bürgermeister Hans Lohmeier, Alt-Oberbürgermeister Reinhold Perlak und Stadtverbandsvorsitzenden Dr. Olaf Sommerfeld auf den besonders in Ostdeutschland virulenten Rechtsextremismus zu sprechen: „Man muss bedenken, dass dort nach dem Zusammenbruch der DDR nach wie vor eine Zivilgesellschaft fehlt, es gibt viel weniger Vereine oder Kirchen, die Bewegungen wie Pegida entgegentreten könnten“, verwies Franz Schindler auf die Spätfolgen der sozialistischen Diktatur.
Zum Abschied überreichte Dr. Sommerfeld Franz Schindler als Dank für den Vortrag Wein und eine selbst gemachte Marmelade aus Pfirsichen aus dem Sommerfeld’schen Garten.
Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 23.04.2016 -cu-