Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 23.10.2015
„Wir haben es 1945 und 1990 geschafft. Nie gab es einen Plan, wie es zu schaffen sei. Geschafft wurde es, weil zusammengehalten wurde und man wollte.“ Mit diesen zuversichtlichen Worten eröffnete die Landtagsabgeordnete Ruth Müller in den Räumen der privaten Wirtschaftsschule Kasberger-Wildmann eine Wanderausstellung mit dem Titel „Irgendwo auf der Welt – Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“.
Auf zahlreichen Tafeln wurde dabei auf die gefährliche Flucht und Vertreibung von Menschen nach dem Krieg eingegangen. Konzipiert wurde die Ausstellung von der evangelischen Kirche im Münsterland, die nach dem Zweiten Weltkrieg neue Heimat für zahlreiche evangelische Flüchtlinge wurde. Ergänzt wurde die Ausstellung durch die Lebensgeschichten von Flüchtlingen der Gegenwart aus Eritrea, Syrien oder Afghanistan.
Dass sich viele Menschen mit dieser derzeit wieder so brisanten Thematik verbinden können, zeigten verschiedene Ausführungen bei der Ausstellungseröffnung. Auch Schulleiterin Barbara Kasberger konnte davon berichten, wie sie als Kind mit ihren Eltern aus der DDR in den Westen kam, dort stets spüren musste, dass sie nicht dazugehörte. Nach ihrem Umzug nach Niederbayern verschärfte sich die Situation, da zu der Fremden aus der DDR und dem norddeutschen Münsterland auch noch die evangelische Konfession dazukam. Aber sie hat es geschafft und das ist auch Kernaussage im Beitrag des 1991 aus der damaligen Sowjetunion nach Deutschland ausgesiedelten Eduard Neuberger. Ihn erinnern die Bilder auf den Ausstellungstransparenten an seine eigene Biografie. Aus eigener Erfahrung wisse er aber, wie wichtig das Erlernen der deutschen Sprache für eine gelungene Integration ist. Er, der ehemalige Fremde, betreut heute Asylbewerber und ist gar seit 2006 im Ausländer- und Migrationsbeirat der Stadt Straubing.
Seine Kollegin im Flüchtlingsrat, Pfarrerin Birgit Schiel von der Christuskirche, nahm Bezug auf die Bibel. In der gegenwärtigen Flüchtlingskrise sieht sie eine Chance, sich vergleichbar mit dem barmherzigen Samariter als Mitmensch zu beweisen. „Ewiges Leben wird der erlangen, der seinen Nächsten liebt wie sich selbst.“ Sie wünschte allen genug Kraft, sich als Mitmensch zu zeigen.
Taschen als Symbol der Flucht
Schließlich war es an MdL Ruth Müller, den Organisatoren, allen voran der Sozialkundelehrerin der Kasberger-Wildmann-Schule, Sabrina Zwicknagl, für die Ausstellung zu danken. Die Landtagsabgeordnete wies darauf hin, dass im Grunde in jeder Familie Wurzeln zu ehemaligen Flüchtlingen beziehungsweise Vertriebenen zu finden sind, man sich folglich mit der heutigen Situation identifizieren sollte. Auch ihre Großmutter wurde aus Schlesien vertrieben. Wenn sie sich vorstelle, wie man im Treck mit Kinderwagen und Rucksack nach Westen zog, wie ihre Großmutter sich damals aus einer Stadt kommend in Niederbayern auf dem Land fühlte, als Kind in der Schule aus Konfessionsgründen getrennt unterrichtet wurde und im Anschluss, um gesellschaftlich konform zu leben, der eine oder andere gar den Glauben wechselte, finde sie diese damalige Situation in den Flüchtlingsströmen von heute wieder.
Mitgebracht hatte MdL Müller eine Stoffbahn, die in Schweden von Frauen mit Migrationshintergrund gestaltet worden war. In einem Integrationsprojekt sollten sie Gebrauchsgegenstände herstellen und dabei erzählen. Auf ihren Stoffen sind Taschen zu sehen, Taschen, in denen sie auf ihrer Flucht die wenigen Habseligkeiten und wichtigsten Dinge aufbewahrten. -hab-
Info
Die Ausstellung „Irgendwo auf der Welt – Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“ ist heute, Freitag, 23. Oktober, in Langquaid zu sehen und kommt ab dem 14. Dezember wieder nach Straubing in das Familienhaus der evangelischen Kirche an der Eichendorff-Straße.