Gleichwertige Lebensbedingungen

25. September 2014

"Verkehrsinfrastruktur ist eine Katastrophe" - Kommunalpolitiker machen ihren Sorgen Luft

Um gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern ging es beim "Niederbayerischen Kommunalpolitikertag" am 12. September im Ruderhaus in Deggendorf. Johanna Werner-Muggendorfer, Sprecherin der niederbayerischen SPD-Landtagsabgeordneten und ihre beiden Kollegen Ruth Müller (Landshut) und Bernhard Roos (Passau) hatten zu einer Diskussion zu diesem Thema eingeladen. Aus Straubing war Stadtverbandsvorsitzende Dr. Olaf Sommerfeld vor Ort. Zentrales Anliegen war die regionale Entwicklung in den verschiedenen Teilen Niederbayerns, die deutlich auseinandergingen. Moderiert von MdL Müller bezogen vor rund 50 SPDlern auch Michael Braun, Vorsitzender des Tourismusverbands Ostbayern, und Josef Reischl vom Amt für ländliche Entwicklung Position.

Rund 50 niederbayerische SPD-Kommunalpolitiker diskutierten mit Gut 30 Kommunalpolitiker aus Niederbayern hatten sich zum Kommunalpolitiker-Tag eingefunden, um aus erster Hand zu erfahren, wie sich die Abgeordneten der Niederbayern-SPD die geforderten gleichen Lebensbedingungen in Bayern vorstellen. Johanna Werner-Muggendorfer, Ruth Müller und Bernhard Roos standen Rede und Antwort, hatten sich aber auch kompetente Diskussionsteilnehmer eingeladen. Josef Reidl vom Amt für ländliche Entwicklung in Landau, Dr. Michael Braun vom Tourismusverband Ostbayern und Bürgermeister Thomas Reimer aus Neustadt/Donau stellten ihre Sicht der Dinge dar. Dazu kam auch Staatssekretär Florian Pronold.

"Kommunalpolitik ist die erste Anlaufstelle"
Werner-Muggendorfer bezeichnete in ihrer Begrüßung die Kommunalpolitik als erste Anlaufstelle für die Bürger, wenn es um die als Verfassungsziel vorgegebenen gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Bayern gehe. Zwar sei die Landespolitik für die Regularien zuständig, der Kommunalpolitik vor Ort komme aber wegen des Austauschs mit den Bürgern entscheidende Bedeutung zu. Es müsse deutlich gemacht werden, "dass es nur miteinander geht". Deshalb hätten sich auch die drei niederbayerischen Abgeordneten ihre Arbeitsbereiche aufgeteilt: Werner-Muggendorfer ist die Sprecherin der niederbayerischen SPD-Abgeordneten, Ruth Müller sitzt in der Enquete-Kommission zur Ausarbeitung der Handlungsrichtlinien für das genannte Verfassungsziel und kümmert sich um die flächendeckende medizinische Versorgung mit dem Landärzteproblem als Folge der zunehmenden Feminisierung der Ärzteschaft und um den Ausbau des Breitband-Internets. Bernhard Roos sieht seine Aufgabe hauptsächlich in der Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs gegen die Bevorzugung der Metropolregionen sowie in der regionalen Wirtschaftsförderung gerade im grenznahen Bereich und im inzwischen defizitären Bäderdreieck.
Neustadt ist in der glücklichen Lage, nicht jeden Euro dreimal umdrehen zu müssen". Zunächst stellte auf dem Podium der Bürgermeister von Neustadt/Donau, Thomas Reimer, die Situation seiner 13 000-Einwohnerstadt im Landkreis dar, den er als "Abbild Bayerns" bezeichnete. Als "nicht typisch für einen kleinen ländlichen Ort" charakterisierte er seine Kommune im Kreis Kelheim. Mit dem Kurort Bad Gögging sei man ebenso Tourismusregion wie ein Industriestandort mit 8000 Arbeitsplätzen bei 13 000 Einwohnern, sagte der SPD-Politiker beim Kommunalpolitikertag in Deggendorf.
Allerdings sei Neustadt in der glücklichen Lage, "nicht jeden Euro dreimal umdrehen zu müssen". Konsequenz sei, dass man bei den Themen schnelles Internet, Kitas, Kinderkrippen, der Ganztagsbetreuung in Schulen oder bei der Kultur besser dastehe. Fakt sei allerdings, dass die geforderte Kofinanzierung der genannten Probleme durch die Kommunen viel zu hoch sei. "Das neue Breitbandprogramm fuchst uns alle gewaltig. Die Kofinanzierung, die die Gemeinden bringen müssen, ist zu hoch", ärgerte sich Reimer. Auch die Komplexität, wenn zum Beispiel zwei Landkreise ein gemeinsames Gymnasium errichten wollen, das sich noch dazu in zwei Regierungsbezirken befindet, findet er ärgerlich.

Förderdschungel von 700 Programmen für Kommunen in Bayern Tourismusverbandschef Braun beklagte den. Es gelte zudem, Anträge so zu beschreiben, "dass man im Ministerium auf Widerhall stößt". Braun: "In der jetzt startenden EU-Förderperiode wird es fast unmöglich sein, ohne Spezialisten Förderprogramme abzuwickeln." An Braun ging die Frage, vor welchen Herausforderungen der Tourismus in Niederbayern stehe. Er antwortete, dieser Wirtschaftszweig sei extrem wettbewerbsorientiert. Man brauche gute Angebote, um bestehen zu können. Und da sei ein Hinderungsgrund der Investitionsstau in manchen Hotels und Pensionen und auch in den Kommunen. Für die kleineren Kommunen sei die Förderung durch die EU und die Länder zu kompliziert, weshalb Fehler gemacht würden. Wichtig sei, sich auf markante Regionen bei der Werbung zu beschränken. Wichtig sei der Zusammenschluss von Kommunen mit entsprechender Aufgabenverteilung gerade auch im Bereich Tourismus ohne jedes Kirchturmdenken, denn Professionalität und Denken in größeren Einheiten seien wichtig. Fachkräfte könne man im Tourismus auch dadurch gewinnen, dass nicht nur ein Arbeitsplatz geboten würde, sondern auch eine entsprechende Freizeitstruktur vorhanden sei. Dazu gehöre auch die Verkehrsinfrastruktur, und da seien die A 3 und die immer noch unfertige A 94 "die eine Katastrophe und die Bahnverbindung aus München die andere".
Josef Reidl konnte wenigstens etwas Erfreuliches verkünden: Die Kommunen seien Hauptpartner des Leader-Programms, dem Verbinden von Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft auch über Landesgrenzen hinweg. Nunmehr "kommt jeder Bewerber dran, wenn er bestimmte Kriterien erfüllt, was vor allem auf innovative Projekte abzielt", sagte Reidl. Letztendlich böten sich mit ILE-Verbünden und dem LEADER-Programm gute Möglichkeiten, kam man am Podium überein. Josef Reischl vom Amt für ländliche Entwicklung nannte das "Ilzer Land" als ein Lieblingsprojekt und verwies auf die ILE/LEADER-Liaison im nördlichen Landkreis Straubing-Bogen.

Florian Pronold sichert Unterstützung zu
Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesverkehrs- und Bauministerium, sicherte die Unterstützung von Bund und Ländern zu und verwies auf Förderprogramme von Bundesseite wie die "Soziale Stadt" und darauf, dass der Bund nun eine Milliarde Euro zusätzlich für den Hochwasserschutz zur Verfügung stelle, um die Länder zu unterstützen. Die Abschaffung der Gewerbesteuer sei vom Tisch und von der Städtebauförderung mit rund 700 Millionen Euro gehe inzwischen mehr als die Hälfte in den ländlichen Raum anstatt in die Metropolregionen. Zudem würde dann weitere Förderung nachgezogen. Fachkräfte könnten nur bei intakter Infrastruktur gehalten oder gewonnen werden. Deshalb halte man bei der SPD auch den Umweltschutz mit der frei fließenden Donau und dem Nationalpark so hoch und sehe ihn nicht als Gegner für Industrie und Handwerk, sondern als Chance, vor allem auch für den Tourismus. Der einzige "Schandfleck" sei in diesem Zusammenhang die miserable Verkehrsinfrastruktur in Niederbayern mit maroden oder unfertigen Autobahnen und einer schlechten Bahnanbindung.
Weitere Punkte der Aussprache waren die Erhöhung der Kopf-Pauschale bei Verwaltungsgemeinschaften und der Hochwasserschutz. Thomas Müller aus Stephansposching (Lkr. Deggendorf) machte deutlich, dass man einen der größten Polder an der Donau mit 22 Millionen Kubikmeter liefere, indes gebe es ein Gezeter in Straubing und Ingolstadt um wesentlich kleinere Polder. Er bat Pronold um weitere "Töpfe, die man anzapfen kann, vielleicht aus dem Katastrophenschutz".

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