Straubinger Tagblatt, DONNERSTAG, 20. SEPTEMBER 2018
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil diskutiert im Sommerkeller mit Genossen
Dr. Olaf Sommerfeld, MdL Ruth Müller und Lars Klingbeil (hinten, v.r.) diskutierten mit etwa 30 Genossen.
Etwas später ist er gekommen, der SPD-Generalsekretär, weil er sich am Telefon noch mit „der Andrea über Maaßen ausgetauscht“ hat. Und um kurz nach halb neun musste er pünktlich weg: In einem Nebenzimmer hatte ein Kamera-Team schon aufgebaut, weil Klingbeil für das Heute-Journal und die Tagesthemen interviewt werden sollte. Dazwischen, die SPD laut jüngster Umfrage bei elf Prozent in Bayern, hieß es vor etwa 30 Genossen: mehr Aussprache als Einstimmung auf den Wahlkampf. Die Fragen der Gäste und kommunalen Mandatsträger zeigten, dass die Basis offenbar nicht ganz im Reinen mit dem Auftreten und der politischen Leistung des Bundesverbands ist, der immerhin an fünf der letzten sechs Bundesregierungen beteiligt war.
„Wir müssen uns unsere Erfolge endlich wieder an die Fahne heften!“, rief ein Zuhörer in den Raum. Die SPD versäume es, ihre Erfolge wie die Rente mit 63 oder den Mindestlohn an die Leute zu bringen.
Familiengeld: „SPD in Falle der CSU getappt“
Auch mit der Kritik am Familiengeld der CSU habe man sich keinen Gefallen getan, sagte Stadtrat Peter Euler: „Jeder freut sich über das Familiengeld. Und dann ist die SPD die erste, die sagt, das geht nicht.“
Bürgermeister Hans Lohmeier pflichtete bei: „Da hat die CSU der SPD eine Falle gestellt, und die SPD ist hineingetappt.“ Für alle Großkopferten, sagte Euler, gebe es Schlupflöcher – aber das Familiengeld, das Ärmere unterstütze, solle nicht rechtskonform sein?
„Warum schaffen es Hubertus Heil und Olaf Scholz im Finanzministerium nicht, das möglich zu machen?“ So entstehe der Eindruck: Die SPD verwehre den kleinen Leuten eine Wohltat, nur weil sie vom politischen Gegner kommt.
Klingbeil und Listenkandidatin Ruth Müller, MdL, hielten dagegen: Das Familiengeld sei nicht nachhaltig, besser wären kostenfreie Kitas und günstiger ÖPNV. Die CSU hätte in den vergangenen Jahren ja bloß den SPD-Anträgen im Landtag zustimmen müssen statt auf Wahlgeschenke zu setzen, hätte sie wirklich etwas für Benachteiligte tun wollen.
Alt-Oberbürgermeister Reinhold Perlak (SPD) sprach das Problem der Wohnungsnot an und kritisierte: „Mir fehlt eine politische Initiative, die Kommunen einen Anreiz gibt, Wohnungen zu bauen.“ Klingbeil versprach – auf Nachhaken Perlaks ob Klingbeils unbefriedigender Antwort –, dessen Anregung mit in Gespräche im Kanzleramt zu nehmen.
Ruth Müller war mehr auf Wahlkampf-Temperatur als der Generalsekretär und sah das Problem bei der CSU-Regierung: „Der größte Sündenfall Söders war, die GBW zu verscherbeln.“ Die 32 000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft seien das „Tafelsilber“ Bayerns gewesen.
Einige Anliegen nach Berlin mitgegeben
Mehr auf die Arbeitnehmer müsse die SPD zugehen, forderte ein Zuhörer: Tarifverträge müssten wieder allgemeinverbindlich erklärt werden, diese „größte Schweinerei von Schwarz-Gelb“ sei immer noch nicht rückgängig gemacht. Der Bund müsse den Ausbau des Glasfasernetzes zahlen, sagte Fritz Fuchs, Bürgermeister von Konzell. „Meine Kommune muss Geld für etwas ausgeben, das sie nichts angeht – das ärgert mich.“ Immerhin gehöre die Internetanbindung zur Daseinsvorsorge. Ein schwerbehinderter Gast klagte, seine Miete werde immer höher und höher – wann setze denn endlich die versprochene Mietpreisbremse ein? Ein Hausbesitzer berichtete, er müsse 800 Euro für seinen Glasfaser-Anschluss zahlen: „Das ist nicht meine Aufgabe, das zu bezahlen.“
So gaben die SPD-Vertreter aus der Region ihrem Generalsekretär einige Anliegen mit nach Berlin, im Sommerkeller diskutierten die Genossen nach Klingbeils Abgang zu den Interviews mit ZDF und ARD selbst angeregt weiter. - urb -