Straubinger Tagblatt, 20.6.2017,
SPD stellt Steuerkonzept vor – Schulz will Soli für die meisten Arbeitnehmer abschaffen
Von Martin Ferber
Die sofortige Abschaffung des „Soli“ für einen Großteil aller Beschäftigten und Steuerentlastungen für die kleineren und mittleren Einkommen verspricht SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz im Falle eines Wahlsieges im Herbst. Im Gegenzug sollen Besserverdienende durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent mehr bezahlen, für Reiche wären sogar 48 Prozent fällig. Das sieht ein Konzept für eine Steuerreform vor, die Schulz am Montag zusammen mit Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und dem hessischen Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel vorstellte. Es soll Teil des SPD-Wahlprogramms werden, das am Sonntag auf einem Parteitag in Dortmund verabschiedet wird. Im Einzelnen sieht das Konzept vor: Solidaritätszuschlag: Mit dem Ende des Solidarpakts II Ende 2019 läuft nach Ansicht von Olaf Scholz auch die Grundlage für die Erhebung des Solidaritätszuschlags in Höhe von 5,5 Prozent auf die zu zahlende Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftssteuer aus. „Der Soli wird nicht dauerhaft erhoben werden können“, sagt er mit Blick auf entsprechende Urteile des Verfassungsgerichts. Nach den Vorstellungen der SPD soll er ab 2020 daher für Bezieher von zu versteuernder Einkommen in Höhe von 52 000 Euro für Ledige und 104 000 Euro für Verheiratete komplett abgeschafft werden, für Bezieher höherer Einkommen wird der „Soli“ stufenweise abgebaut. Das Entlastungsvolumen liegt am Anfang bei etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr, am Ende bei rund 19 Milliarden.
Familientarif: Für bereits verheiratete Ehepaare ändert sich nichts, für sie gilt weiterhin das Ehegattensplitting. Für Neuverheiratete gilt ein neuer Familientarif. Die Eheleute werden weiterhin gemeinsam steuerlich veranlagt, der Ehepartner mit dem höheren Einkommen kann einen Betrag von bis zu 20 000 Euro auf seinen Ehepartner übertragen, wodurch ein Splittingvorteil entsteht. Zusätzlich gibt es pro Kind für jeden Elternteil einen Kinderbonus von 150 Euro zusätzlich zum Kindergeld. Für ein Ehepaar mit drei Kindern bedeutet dies eine Steuerersparnis von 900 Euro.
Kita-Gebühren: In Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen dringt die SPD auf eine völlige Abschaffung der Gebühren für Kindergrippen und Kindertagesstätten und will einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung im Grundschulalter schaffen.
Höherer Spitzensteuersatz
Kinderzuschlag: Der Kinderzuschlag, den Alleinerziehende oder Familien mit niedrigem Einkommen auf Antrag erhalten, wird mit dem Kindergeld zu einem erweiterten Kindergeld zusammengelegt, das unbürokratisch gewährt wird. Einkommensteuer: Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent, den derzeit Singles bereits bei einem zu versteuernden Einkommen von 54 058 Euro und Verheiratete bei 108 116 Euro zahlen müssen, soll künftig erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 beziehungsweise 120 000 Euro erhoben werden. Das entspricht einem Bruttoeinkommen von 70 500 für Ledige und 141 000 Euro für Verheiratete. Das Entlastungsvolumen beläuft sich auf rund zwei Milliarden Euro. Im Gegenzug wird der Spitzensteuersatz linear-progressiv von derzeit 42 auf 45 Prozent angehoben, der ab einem Netto-Einkommen von 76 200 beziehungsweise 154 000 Euro fällig wird. Wer 250 000 Euro (500 000 Euro) und mehr verdient, muss 48 Prozent bezahlen. Die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags soll nach dem Steuerkonzept von Schulz jährlich auf der Grundlage der Ergebnisse des Existenzminimumberichts erfolgen. Erbschaftsteuer: Langfristig hält die SPD an der Wiedereinführung der Vermögensteuer fest. Kurzfristig soll eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer garantieren, dass große Erbschaften stärker als bisher besteuert werden. Abgeltungssteuer: Die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent auf Kapitalerträge wird abgeschafft, Zinsen müssen mit der Einkommensteuer versteuert werden. Sozialabgaben: Die SPD fordert die Abschaffung der Zusatzbeiträge für die gesetzliche Krankenversicherung, die ausschließlich die Versicherten zu bezahlen haben, und die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung. Dadurch werden die Arbeitnehmer um etwa fünf Milliarden Euro entlastet.
Gleichzeitig sollen die Beiträge zu den Sozialversicherungen für Beschäftigte, die zwischen 451 und 1 300 Euro pro Monat verdienen, deutlich reduziert werden, ohne dass sie dadurch ihre vollen Rentensprüche verlieren. Bislang galt dies nur bis zu 850 Euro. Die Differenz wird der Rentenkassen aus dem Bundeshaushalt erstattet. Finanztransaktionssteuer: Auf europäischer Ebene soll eine Umsatzsteuer auf alle Finanzgeschäfte eingeführt werden.
Steuervollzug: Die SPD sagt dem Steuerbetrug, der illegalen Steuervermeidung und der Geldwäsche den Kampf an. So sollen alle Bundesländer ihre Steuerverwaltung, Steuerfahndungen und Betriebsprüfungen „personell vernünftig aufstellen“. Auf europäischer Ebene soll durch die Einführung von Mindeststeuersätzen und einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer Steuerdumping verhindert werden.