Ein su­per­wei­tes Feld

08. Oktober 2018

Straubinger Tagblatt, MONTAG, 24. SEPTEMBER 2018

„Let’s talk ab­out YOUth“ mit Ju­sos-Chef Ke­vin Küh­nert und Mar­vin Kliem

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Kevin Kühnert (links), Bundesvorsitzender der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, und Marvin Kliem, Bezirkstagsdirektkandidat der SPD, diskutierten am Sonntagnachmittag zwei Stunden mit den Zuhörern.

Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, hat am Sonntagnachmittag mit rund 40 Zuhörern im Raven diskutiert. Dabei ging es um Seehofer, Chemnitz, Maaßen – und Volksmusik.

Thema war „Let’s talk about YOUth“ – um die Jugendpolitik sollte es gehen. So lagen auf den Tischen Sticker mit der Aufschrift „Niederbayern, Oida“ und Feuerzeuge und Kondome mit dem Hashtag freistarten. Mit „Yo!“ und einem Blick auf die Smartphone-Uhr begrüßte Marvin Kliem, der SPD-Bezirkstagsdirektkandidat aus Mitterfels, 21 Jahre alt, die Besucher. Über 40 waren gekommen, die meisten davon über 40 Jahre alt.

„Kevin, warum sitzt du heute hier?“ fragte Kliem. „Weil du mich eingeladen hast“, antwortete Kühnert lachend und erzählte, dass er sich als jugendlicher Schülersprecher falsch verstanden fühlte und deshalb in die Politik ging. Die Landtagswahl in Bayern im Oktober ist für den 29-jährigen Berliner eine Wahl von besonderer Bedeutung, sie gleiche einer Volksabstimmung. „Seehofer“, sagte Kühnert, „folgt überhaupt keinen rationalen Argumenten mehr, sondern nur noch Rachegelüsten.“ Er hofft auf eine „Klatsche für die CSU“. Scharf kritisierte er die Situation in Chemnitz: Wer mit Nazis auf die Straße ziehe, der müsse sich distanzieren. „Denn das sind keine besorgten Bürger mehr. Mit dem Hitlergruß outet man sich als Nazi.“

„Junge Menschen sind extrem politisch“

Kliem wollte eigentlich gleich zur Jugendpolitik, dem Hauptthema, „driften“, doch da hatte Kühnert eine Frage an ihn: „Marvin, warum kandidierst du für den Bezirkstag?“ Weil es im Bezirkstag um Kultur-, Sozial- und Gesundheitspolitik gehe – und weil er überzeugt ist, dass die Jugendarbeit in Niederbayern zu kurz kommt. „Der Bezirk sollte weniger Volksmusikgruppen finanzieren“, sagte Kliem. Er will verstaubte Strukturen aufwirbeln und fügte noch an, dass er nicht gegen Volksmusikgruppen sei – vielmehr möchte er alternative Jugendarbeit unterstützen. Beispielsweise in Zwiesel gebe es ein „geiles Jugendzentrum“.

Die Jugendpolitik sei ein „superweites Feld“, sagte Kühnert. Er fordert, dass bereits 16-Jährige wählen können. „Denn junge Menschen sind extrem politisch.“ Für Kliem ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wichtig: Er kommt aus Mitterfels, der Bus beispielsweise nach Straubing fahre „einmal morgens und einmal abends“. Er fordert ein Ticket, das kostenlos ist. Das nütze nicht nur Jugendlichen, sondern auch Senioren, Einkommensschwachen und der Umwelt.

Ein Mann wollte wissen, wieso sich Jugendliche nicht mehr – so wie früher – in Vereinen und Parteien engagieren. Das Problem sei das Bildungssystem, das immer stärker auf Leistungsdruck ausgerichtet sei, sagte Kühnert. Er sei daher für die Reform des Berufsbildungsgesetzes.

„Noch Fragen? Vielleicht auch von jungen Leuten?“

Ein anderer Bürger sagte, dass Volksmusik hier in Niederbayern eine breite Basis habe. Wie könne es gelingen, diese und andere Bereiche, wie die klassische Musik, im Bezirkstag zu fördern? „Es ist wichtig, alles zu verteilen“, sagte Kliem, „die Volksmusik gehört zu unserer Region und muss gefördert werden. Genauso wie zum Beispiel das Bandhaus in Straubing.“ Ins Publikum fragte Kliem schmunzelnd: „Gibt’s noch Fragen? Vielleicht auch von jungen Leuten?“ Die gab es nicht. Also gingen Kliem und Kühnert zur aktuellen Politik über. „Es war keine ruhmreiche Woche“, sagte Kühnert, „der Fall Maaßen ist keine kleine Personal-Petitesse, sondern steht für etwas Größeres.“ Die Beförderung habe ein tief sitzendes Vorurteil gegenüber der Politik bestätigt. Das eigentliche Problem sei nicht der ehemalige Verfassungsschutz-Chef, sondern Innenminister Seehofer, „der auf einer Egotrip-Mission unterwegs ist“. Andrea Nahles habe die Dramatik der Lage anfangs falsch eingeschätzt, so Kühnert.

Knapp zwei Stunden diskutierten Kühnert und Kliem mit den Zuhörern. Von Fake News über einen Koalitionsbruch bis zu Flüchtlingen. Am Schluss überreichten die Straubinger Jusos Kühnert Biere aus der Region – auf einem war eine Blaskapelle abgebildet. - phi -

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