Straubinger Tagblatt | Politische Leserbriefe | 19.01.2016
Zum Interview mit CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, „Delikt soll Grundlage für Abschiebung sein“, vom 14. Januar:
Oh Gott! Das hat er nicht gesagt, oder? Doch, da steht es: „Nicht erst das Strafmaß nach einer Verurteilung soll Grundlage für eine mögliche Abschiebung sein, sondern bereits ein Delikt. Wenn die Beweislage eindeutig ist, darf es keine Toleranz gegenüber Straftätern geben.“
Bislang galt jemand als kriminell, wenn er strafrechtlich verurteilt wurde. Vor einem Gericht. Vorher nicht. Das nennen wir Unschuldsvermutung. Jetzt reichen ... hm, ja was eigentlich? Zwei Zeugenaussagen? Drei? Eine Polizeiaussage? Wie sieht eine „eindeutige Beweislage“ aus? Der Stichwortgeber, äh, Journalist fragt leider nicht nach.
Damit verabschiedet sich die CSU nunmehr endgültig vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, einer Säule des Grundgesetzes. Es wird ersetzt durch die bayerische „Stammtischdemokratur“. Vielleicht sollten wir anfangen, das Grundgesetz nicht nur auf Arabisch in Flüchtlingszentren, sondern auch auf Bairisch in der Staatskanzlei zu verteilen.
PS: Nur mal so, Herr Scheuer: Mit der Führung des „Dr.“ vor dem Namen und den Plagiatsvorwürfen haben Sie ja in diesem Zusammenhang schon ganz persönliche Erfahrungen gemacht. Den Unterschied zwischen Vorwurf oder Verdacht auf der einen Seite und Verurteilung auf der anderen Seite sollten Sie also auch als Nichtjurist kennen. Umso peinlicher ist so eine Aussage.
Dr. jur. Olaf Sommerfeld
94315 Straubing