Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 30.10.2015
Wegbereiter für Wirtschaft und Wissenschaft
Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Reinhold Perlaks politisches Credo war und ist die Stärkung der Wirtschaftskraft als Voraussetzung für alles andere, was sich eine Kommune leisten kann, soll und muss. Auch wenn manche zwischen Wirtschaftskompetenz und Sozialdemokrat einen Widerspruch sehen, Reinhold Perlak, von 1990 bis 1996 Bürgermeister, von 1996 bis 2008 Oberbürgermeister und dann fünf Jahre lang Landtagsabgeordneter, hat diesen Widerspruch ins Reich der Fabel verwiesen. Am heutigen Freitag wird Reinhold Perlak 70 und kann auf ein beachtliches kommunalpolitisches Lebenswerk zurückschauen.
2012 hat der Freistaat sein Engagement mit der Kommunalen Verdienstmedaille in Silber gewürdigt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellte damals besonders Perlaks „wirtschaftspolitische Kompetenz“ heraus und würdigt jetzt anlässlich des runden Geburtstags, dass Perlak mit seiner „zukunftsorientierten Politik die Voraussetzungen für die weitere Entwicklung Straubings als attraktiver Wirtschaftsstandort und als Wissenschaftsstadt geschaffen“ hat. Durch sein „tatkräftiges und kompetentes Engagement“, auch auf dem sozialen Sektor für Jugendliche und Senioren, habe er der Stadt entscheidende Impulse gegeben. Dieselbe Wertschätzung hatten bei der Feier zu seinem 60. Geburtstag 2005 unisono der damalige Regierungspräsident Dr. Walter Zitzelsberger und der Welser Bürgermeister Dr. Peter Koits bekundet. Den Landtagsabgeordneten Perlak würdigt Herrmann als „einen engagierten Fürsprecher der kommunalen Selbstverwaltung“.
„Wenn man in Straubing ein Hemd kauft, sind die Ärmel schon hochgekrempelt“, hat der damalige Münchner US-Generalkonsul Perlak in seiner OB-Zeit bescheinigt. Eine Bestätigung seiner strategischen Bemühungen um Firmenansiedlungen im Industriegebiet, um den Bestand von Unternehmen, um das Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe, neue Baugebiete und die Weiterentwicklung von Messestandort und ÖPNV. Auch den Bau des Südrings gegen manche politische Widerstände und das Beharren, eine Kommunalisierung des Klinikums aus Sorge vor unkalkulierbaren Kosten nicht zuzulassen, kann er sich auf seine Fahnen schreiben. In Perlaks Ära kletterte Straubing in der Rangliste der 25 kreisfreien Städte Bayerns von einem wirtschaftlichen Schlusslicht auf Spitzenplätze. In einer Zeit sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen konnte viel investiert werden, auch viel über Kredite. Gewerbesteuernachholungen in außergewöhnlicher Höhe verbucht allerdings sogar er als Glücksfall.
2008 unterlag Amtsinhaber Perlak seinem Nachfolger Markus Pannermayr in der Oberbürgermeister-Stichwahl. Er hatte ihm 291 Stimmen voraus. Perlak wurde nicht wegen Misserfolgs abgewählt, er wurde trotz Erfolgs nicht ausreichend gewählt. Im Gegensatz zur SPD war es der CSU im entscheidenden Moment gelungen, ihre Wähler zu mobilisieren.
Perlak, mit 63,51 Prozent noch 2002 als OB wiedergewählt, gehört seit dieser für ihn mehr als bitteren Niederlage zu jenen Kommunalpolitikern, die aus diesem harten Geschäft Narben davongetragen haben. Der in Bayern nicht prozentverwöhnten SPD hat er aber noch im gleichen Jahr zu einem historischen Erststimmen-Ergebnis bei der Landtagswahl in seinem Stimmkreis verholfen. Er erzielte 32,7 Prozent in Straubing, während sein SPD-Vorgängerkandidat fünf Jahre davor nur 14,38 Prozent eingefahren hatte. Das dürfte ihm bestätigt haben, dass die Straubinger ihn als integer, kompetent und fleißig schätzen, auch wenn sie sich einen anderen Oberbürgermeister gewählt haben. „Die fünf Jahre im Landtag waren ein schöner Abschluss“, sagt er.
Heute wirkt Reinhold Perlak aufgeräumt. Allerdings ist er auch früher selbst bei Verbal-Attacken des politischen Gegners nie aus der Rolle gefallen. Er scheint mit sich und der Welt im Reinen, ein Leben schätzend und genießend, das nicht mehr von Termindruck und Präsentierteller und nicht mehr von Politik bestimmt ist. Seinen beiden Enkeln verübelt er es längst nicht mehr, dass sie ihn trotz all seiner didaktischen Bemühungen nicht Großvater, sondern liebevoll Opa nennen.
Perlak trat bei der Stadtratswahl 2014 nicht mehr an, nachdem er dem Plenum seit 1984 angehört hatte. 2004 war er für 20 Jahre kommunalpolitisches Engagement mit der Goldenen Bürgermedaille ausgezeichnet worden. Den Fleiß, den ihm auch der politische Gegner nie absprach, legte er auch als Landtagsabgeordneter an den Tag. Er gehörte den Ausschüssen für Kommunale Daseinsvorsorge, Innere Sicherheit, Bundes- und Europaangelegenheiten an. „Da konnte man auch aus der Opposition etwas bewegen“, sagt er. Er gründete eine Bürgerinitiative Bahn, informierte über gesetzliche Neuerungen und hielt Augen und Ohren offen bei Bestrebungen, die die kommunale Daseinsvorsorge bedrohten. Beispiel: Wasserversorgung und Müllentsorgung. Schließlich wusste er aus 18 Jahren an vorderster Front, wo die Kommunen der Schuh drückt.
2008 übernahm Perlak von Fritz Geisperger den Kreisvorsitz der Arbeiterwohlfahrt, wo angesichts des rund 140 Mitarbeiter zählenden Betriebs wiederum sein wirtschaftlicher Sachverstand gefragt ist. Daneben fand er Zeit, 2014 mit Pfarrer Peter König nach Ghana zu reisen und dort das nach Straubing benannte Sozialprojekt zu besuchen. Er geht gerne wandern, unterstützt mit seiner Frau Helga die beruflich stark eingespannte Tochter Susanne bei der Betreuung der beiden Enkel. Und er erledigt seinerseits Hausaufgaben, denn vier Semester lang absolvierte er ein Seniorenstudium an der Uni Regensburg, Fachgebiet Philosophie, und wühlte sich durch viele hundert Seiten Sekundärliteratur wie früher durch Stadtverwaltungs-Aktenberge.
Und die 70? Die lässt Perlak zwar schlucken, das gibt er zu. Wie 70 fühle er sich aber nicht. Bei seinem 60. hat er gesagt, er fühle sich wie 40. Dann müsste er sich jetzt, zehn Jahre später, wie 50 fühlen. Und das ist ja heute kein Alter. Wir gratulieren!
Monika Schneider-Stranninger