Straubinger Tagblatt, STRAUBINGER RUNDSCHAU, Seite 25, MONTAG, 8. OKTOBER 2018
SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen auf Wahlkampftour im Plauderton
Bayerns SPD-Vorsitzende und Landtags-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen hat am Freitag auf ihrer Wahlkampftour Station gemacht. Im exotischen Ambiente von Palmen und Kokosnüssen im Wirtshaus „Goidhaiberl“. Mit dem Talkshow-ähnlichen Format „KohnenPlus“ und als Zuckerl Freigetränke-Gutscheinen. Vor rund 80 Zuhörern, so vielen wie die Straubinger SPD schon länger nicht mehr für eine Versammlung mobilisieren konnte. Ankerpunkt des innovativen Veranstaltungsformats ist ein Dialog mit einem lokalen Gast, in diesem Fall Alt-OB und MdL a.D. Reinhold Perlak. Gastgeber und Moderator fürs Publikum war SPD-Direktkandidat Dr. Olaf Sommerfeld.
„Wahlkampf auf Augenhöhe“ nennt Dr. Olaf Sommerfeld das Anliegen dieser ungewöhnlichen Form von Partei-Veranstaltung und das ist auch im Nu erfüllt. Natascha Kohnen kommt pünktlich, setzt sich, von herzlichem Applaus empfangen, gleich aufs Podium, locker, als säße sie bei Freunden im Wohnzimmer. Dr. Olaf Sommerfeld begrüßt kurz – es sind fast alle SPD-Stadträte, Ortsvorsitzende, Alt-OB Fritz Geisperger und Bürgermeister Hans Lohmeier im Publikum – und dann legt Natascha Kohnen auch schon los. Im Plauderton geht es um die Gemeinsamkeiten von Kohnen und Perlak – nämlich ihren Einstieg in die Politik: Bei beiden war es die Kommunalpolitik („die direkteste Form der Demokratie“).
Das Publikum wirkt bald ungeduldig, denn Reinhold Perlaks Werdegang bräuchte man in Straubing eigentlich nicht im Detail vorstellen, er war immerhin zwölf Jahre OB und hat danach ein Landtagsmandat für seine Partei gewonnen. Allemal kennen sich beide aus Perlaks Zeit als MdL. Sie hatte für ihn damals seines Auftretens wegen den Spitznamen „Sir Perlak“, erzählt sie augenzwinkernd.
Wohnungen, kostenlos Kita und ÖPNV
Mit dem Smalltalk verfliegt die Zeit im Nu, auch wenn Natascha Kohnen wie nebenbei ihre wichtigsten Wahlkampfthemen einfließen lässt: Schaffen von bezahlbaren Wohnungen („Wohnen ist ein Grundrecht“), kostenlose Kita mit längeren Öffnungszeiten, (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten für jedermann, gute ÖPNV-Versorgung nicht nur für Ballungsräume sowie dringende Aufholjagd bei der Produktion zukunftsfähiger Automobilantriebe.
Sie vermittelt, dass diese Themen aus ihrem eigenen Erfahrungshorizont kommen: Vom Wohnen in der Großstadt, der mühsamen Suche nach einem Kita-Platz für ihre beiden Kinder und Einblicken während zweier Jahre in Frankreich. Dass ihre Forderungen reell sind, zeigt sie an kostenlosen ÖPNV-Landestickets für Studenten, die in anderen Bundesländern gang und gäbe seien. „Was dort geht, muss erst recht in Bayern möglich sein.“ 365-Euro-Tickets, wie von Markus Söder versprochen, will sie nicht erst 2030, denn so schreibe es die CSU „im Kleingedruckten“.
Es bleiben 30 Minuten für Fragen aus dem Publikum. Dr. Olaf Sommerfeld muss die Gäste nicht erst animieren. Sie konfrontieren Natascha Kohnen mit dem, was ihnen auf den Nägeln brennt, der Zukunft des Autos, dem Hochwasserschutz („Zellmeiers Versprechen will ich nicht kommentieren“), den die CSU 2013 versprochen aber nicht eingelöst habe, und wie die SPD-Spitzenkandidatin denn Wohnungen schaffen wolle. Zu Letzterem sagt sie, der Bund habe in der vergangenen Legislaturperiode mit einem SPD-Bauministerium die Mittel für sozialen Wohnungsbau verdreifacht, Bayern habe die Mittel halbiert. Bayern habe 33 000 Sozialwohnungen verkauft, die zu halten gewesen wären. Bayern habe nicht mal ein Flächenkataster, um Kommunen zu günstigen Preisen Bauland für genossenschaftlichen Wohnungsbau anbieten zu können.
Die Zeit drängt. Nach 75 Minuten muss die Spitzenkandidatin los, in Vilshofen ist 45 Minuten später schon die nächste KohnenPlus-Talkrunde getaktet.
Dabei wird es nach ihrem Aufbruch erst so richtig interessant. Da fallen im Publikum die Fragen: Warum profitiert eigentlich nicht die SPD von den schlechten Umfragewerten der CSU? Und würde die SPD in eine Koalition mit der CSU gehen? Und wie ist die AfD einzuschätzen? Es sei zu viel über den Fall Maaßen diskutiert worden, findet Dr. Olaf Sommerfeld. Zugegeben, auch Andrea Nahles habe nicht alles richtig gemacht. Aber es gelte, die gute Arbeit der SPD in den Vordergrund zu stellen. Da seien elf Prozent Prognose schon „ein bisschen deprimierend“, aber steter Tropfen höhle den Stein. Sommerfeld hofft auf „13, 14, 15 Prozent“ und darauf, dass laut Demoskopie noch 50 Prozent der Wähler unentschlossen sein sollen. „Wenn die alle SPD wählen, dann haben wir 61 Prozent“, kommentiert Hans Lohmeier mit Galgenhumor aus dem Publikum. -mon-